Klara fröstelt, als sie aus ihrem Auto aussteigt. Es ist tiefe Nacht. Eisiger Wind zerrt an den Baumkronen der Buchen und Eichen. Die heruntergerissenen Blätter tanzen im Luftstrom auf der verlassenen Landstraße. Klaras Blick fällt auf die Einsatzfahrzeuge, deren Blaulichter die Dunkelheit auf dem alten Bauernhof erhellen. Streifenpolizisten, Rettungssanitäter und ein Notarzt sind vor Ort. Letztere sind dabei, ihre Sachen zusammenzupacken und wieder zu fahren. Sie können nichts mehr für das Opfer tun. Vor dem alten Fachwerkhaus haben sich schaulustige Nachbarn versammelt. Zügigen Schrittes geht Klara auf die Menschentraube zu und bahnt sich ihren Weg zum Tatort. Die aufgeregt schnatternden Nachbarn werden von einem Flatterband in Schach gehalten.
Klara tritt durch das sperrangelweit geöffnete Scheunentor. Der ehemalige Kuhstall dient dem Besitzer als Lagerraum. Eine flackernde Deckenleuchte spendet schummriges Licht. Zwischen all dem Gerümpel liegt zusammengekrümmt der alte Bauer in einer dunkelroten Blutlache. „Kommissarin Knobelfuchs. Gut, dass Sie da sind“, begrüßt ein Streifenpolizist Klara. Die Frau lächelt ihn müde an. „Was habt ihr denn für mich?“, fragt sie und begutachtet den toten Mann auf dem Boden. „Willi Meier, 71 Jahre alt, Rentner. Der Bauer vom Hof nebenan hat aus seinem Küchenfenster heraus gesehen, dass das Scheunentor offensteht und Licht brennt. Ist dann rüber und hat seinen Nachbarn tot gefunden. Der Notarzt meint, dass Herr Meier multiple Stichverletzungen im Bauch- und Brustbereich hat.“ Klara runzelt die Stirn und nickt. „Hat die Spurensicherung schon was für mich?“. „Tatsächlich“, antwortet der Polizist, „der Täter hat die Tatwaffe da hinten in das alte Heu geworfen. Ein Stiletto-Messer. Der örtliche Bestatter ist informiert. Sobald die SpuSi fertig ist, bringen sie den Leichnam in die Rechtsmedizin.“ Klara bedankt sich und tritt aus der alten Scheune heraus auf den Hof. Sie nähert sich den aufgeregten Nachbarn.
„Wer von Ihnen hat die Polizei informiert?“, fragt Knobelfuchs. Ein älterer Herr mit schütterem Haar, eingehüllt in einem weiß-blau gestreiften Bademantel, hebt mit unsicherem Blick die Hand. „Kommen Sie mal zu mir“, bittet Klara den Mann. „Wer von Ihnen sind die unmittelbaren Nachbarn von Herrn Meier?“, fragt die Kommissarin weiter. Zwei Frauen und ein großgewachsener Mann mit buschigem Schnauzer heben ihre Hände. „Kommen Sie bitte auch zu mir“, fordert Klara die Drei auf. Gemeinsam mit den vier Nachbarn zieht Knobelfuchs sich in eine ruhige Ecke auf dem Hof zurück. Kurz klärt sie, wer zu wem gehört. Der Mann im Bademantel ist mit einer der beiden Frauen liiert. Das Ehepaar Schmitz lebt seit 30 Jahren in dem Örtchen. Seitdem kennen sie auch das Opfer Herr Meier. Der großgewachsene Mann mit dem buschigen Schnauzer ist mit der anderen Dame verheiratet. Das Ehepaar Bartel ist erst vor fünf Jahren zu der Dorfgemeinschaft gestoßen, erfährt Klara.
„Der war schon speziell, der Meier. Alles wusste der besser. Und wenn er am Abend sein Bier hier in der Kneipe gezischt hat, ist der auch ganz schön streitlustig gewesen. Glaube kaum, dass dem einer eine Träne nachweint.“ „Dat weer en ganz snaakschen Buer!“, pflichtet Herr Schmitz in feinstem Plattdeutsch mit heftigem Kopfnicken dem bärtigen Mann bei. Bartel blickt den kleinen, älteren Herren mit bös funkelnden Augen an. „Sei du mal ganz ruhig! Du bist doch selbst kein Deut besser!“, schimpft er los, „hast du dich nicht letztens erst mit dem Meier gezofft, weil dir dem sein Hund zu laut kläfft?“. Jetzt kommt auch Herr Schmitz in Fahrt: „Wees du mal ganz still! Du hest doch sülvst en Hals op Meier hatt! Weil du to doof to Koortenspelen büst. Kann de Meier doch nix darför, wenn du dien Krüüzfohrt mit dien Öllern versackst!“
Frau Bartels Augen weiten sich. Mit offenstehendem Mund starrt sie ihren Mann an. „Du hast unsere Kreuzfahrt beim Kartenspielen verzockt? Sag mal, spinnst du jetzt total?!“, mault sie ihn an. Der bärtige Mann legt seiner aufgebrachten Frau beruhigend eine Hand auf die Schulter. „Reg dich nicht auf. Ich hab das geklärt. Wir machen die Kreuzfahrt auf jeden Fall.“ Dann wendet sich Herr Bartel dem vor Wut schäumenden Schmitz zu: „Pass mal auf, du kleiner Gnom. Versuch ja nicht, mir hier was in die Schuhe zu schieben. Du hast dich doch genauso wenig unter Kontrolle wie der Meier. Für jeden Mist regst du dich auf. Der Hund kläfft zu laut, Meiers Baum wächst zu weit auf dein Grundstück – du findest doch immer was, worüber du dich ärgern kannst, du kleiner Choleriker! Würde mich nicht wundern, wenn du selbst was damit zu tun hast, weil du die Kontrolle über dich verloren hast!“, beendet Herr Bartels seine Schimpftirade.
Herr Schmitz Kopf ist vor Wut so rot wie eine überreife Tomate. „Büst du verwunnert? Ik heff in mien ganz Leven noch nie en Stiletto-mess in ’e Hand hatt!“, wütet der kleine Mann im Bademantel. Kommissarin Klara Knobelfuchs reicht es. „Ruhe!“, fährt sie dazwischen, „Sie können sich das Theater hier sparen. Ich weiß schon längst, wer Herrn Meier getötet hat.“
Woher weiß Kommissarin Klara Knobelfuchs, wer der Mörder ist?
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